„Wakan“ (waˈkʰɑːŋ̍)

Musik ist doch das halbe Leben. Aus einem kleinen Lautsprecher trällern hin und wieder all unsere Lieblingslieder, aber selbst haben wir länger nicht gesungen. Das wollen wir ändern und so kommt die passende Begleitung dazu bei uns an: eine Ukulele. Robust genug für zwei actiongeladene Kinder. Klein genug, um verstaut zu werden. Klangvoll genug, um damit das Musizieren wieder aufzunehmen. Bereits nach wenigen Momenten funktioniert es und jeder hier schnappt sich die Ukulele, sobald sie frei wird. Es ist ein süßes, kleines Instrument mit einem erstaunlichen Klang. In meinen alten Zeiten als Gitarrenlehrer (für Beginner) hatte ich ebenfalls eine Ukulele und langsam kommt die Erinnerung zurück. Die Griffe sind ganz anders als auf der Gitarre und es gibt auch nur 4 Saiten. Für Kinderhände ist das Instrument aber perfekt und Juna und Mailo haben jetzt schon Spaß. 

Wie passend, dass wir ab jetzt direkt singend nach unserem nächsten Ziel fragen können: „Is this the way to Amarillo?“. Die Texaner imponieren uns in ihrem Staat natürlich mächtig mit ihrem Cowboy sein und so kombinieren wir einfach alles: Ukulele, Landschaft und Cowboys & -girls. Machen wir bald eine Band auf?

Die nächsten Tage verbringen wir in und um Amarillo. Zuerst lassen wir alte Erinnerungen wieder aufleben und denken an unsere Reise 2017 entlang der Route 66 zurück. Die knapp 4000 Km lange Route 66 war ab 1926 eine der wichtigsten Verkehrsrouten durch die USA von Chicago, Illinois bis nach Santa Monica, Kalifornien. Damals sind wir sie zu dritt treu vom Anfang bis zum Ende mit unserem „Captain Lobster“ gefahren und haben dabei unendlich viele, schöne Eindrücke mitgenommen. 

7 Jahre später kreuzen sich unsere Wege. Heute stehen wir in Amarillo – mittlerweile zu viert – an derselben Stelle und huldigen noch einmal unseren „Captain Lobster“.

Auch der verrückten „Cadillac Ranch“ statten wir nochmals einen Besuch ab. Unsere Verewigung von damals ist längst übersprüht, aber mit neuer Lackdose setzen die Kinder ihr Zeichen auf einen der Cadillacs.

Wenig später befinde ich mich im BBQ-Himmel – mein persönliches kulinarisches Highlight. „Tylers BBQ“ grillt und vor allem smoked nicht zum ersten Mal und es ist ein richtiges, homemade BBQ. Gute Rippchen gibt es mittlerweile auch in Deutschland, ein echtes Beef-Brisket (geräucherte Rinderbrust) habe ich bislang nicht gefunden. Hier duftet alles nach Rauch, Marinade, Saucen und wirklich exzellentem Fleisch. Schmecken tut es erst recht und auch der Rest der Familie hat seine Freude daran. Vom Pulled Pork, der Beilage, der Sauce über den Nachtisch ist hier wirklich alles selbst gemacht.

Von der Stadt in den wilden Westen: im Palo Duro Canyon sieht es wirklich so aus, wie es uns die Cowboys vorleben. Rote Felsen, Kakteen, Klapperschlangen und der strahlend blaue Himmel. Hätte ich jemals mit dem Rauchen angefangen, dann nur wegen der Marlboro Werbung. Hier haben wir nun das Alles, aber ohne Zigaretten (und mit mehr Pferdestärken als 1PS). Der Canyon reißt völlig unvermittelt im Land auf und geht rund 240 Meter in die Tiefe. Der vom Red River ausgewaschene Canyon ist der zweitgrößte im ganzen Land und liegt nun eindrucksvoll vor uns.

Wir verbringen den ganzen Tag hier, wandern auf verschiedenen Trails, erkunden das „Hole in the Wall“, machen spannende Tierbegegnungen und lassen uns von der Schönheit der Natur mitreißen.

Auf der Weiterreise entdecken wir durch Zufall einen erloschenen Vulkan, den wir spontan erkunden wollen. Mailo ist voll im Lava- und Vulkanfieber und da passt der Zwischenstopp perfekt. Eine Straße führt auf den Schlacke Kegel hoch und von dort laufen wir einmal um den Krater herum. Wir sind nun auf 2.500 Meter Höhe und haben eine Aussicht auf das gesamte Umland. Die ersten Ausläufer der Rocky Mountains zeigen sich hier und auf den Gipfeln liegt überall noch Schnee.

Im Visitor Center lese ich von einem Native American eine berührende Beschreibung zu diesem Ort und der Natur. Sie sehen den Vulkan nicht nur als Eruption mit Rauch und heißer Lava an, sondern vielmehr als eine Eröffnung von Mutter Erde an, die greifbar nah ist. Die Pflanzen, die oben auf dem extrem fruchtbaren Boden des Kraters wachsen bekommen als erstes das Sonnenlicht, bekommen als erstes den Regen. Aus diesem Grund sind sie besonders intensiv. Die Tierwelt hat hier ein außergewöhnliches Habitat und für die Jicarilla Apachen war es ein sicherer Ort mit ausreichend Nahrung, Schutz und hervorragender Aussicht.

Der wilde Salbei, der auf dem Krater wächst riecht und schmeckt – nach meiner Probe – tatsächlich bombastisch. Ob da wohl was dran ist?

Unsere Naturserie schließen wir vorerst mit den größten Sanddünen Nordamerikas ab und besuchen den „Great Sand Dunes National Park“. Vereinfacht gesagt haben Wind und Wasser Sandkörner der umliegenden Berge aus über 100 Km Entfernung zusammengetragen. Sie sammeln sich nun in einem ausgetrocknetem See vor dem gewaltigen Sangre de Christo Bergmassiv. 

Innerhalb von einer Woche liegt nun schon das dritte Naturschauspiel vor uns, was sich fast nicht beschreiben lässt: schneebedeckte Gipfel, dichte Quellwolken und im Vordergrund die rund 230 Meter hohen Sandünen. 

Natürlich ist es ausdrücklich erwünscht das Dünenfeld zu erkunden und was gibt es da Besseres als hochzuklettern und wieder herunterzurutschen?

In die aktuellen Nachrichten der Weltgeschichte blicke ich mit großer Besorgnis und frage mich, was mit dieser Welt eigentlich los ist. Ist alles so kompliziert und fragil geworden? Hier, fern ab von alledem, zeigen uns all diese Eindrücke der Natur wieder einmal, wie schön die Welt ist. Ist da nicht genug Platz für alle? Und für ein Leben miteinander? 

Die Native Americans haben mich in der letzten Zeit beeindruckt und waren in so manchen Ansichten klüger. Wie sie im Einklang mit der Natur gelebt und rücksichtsvoll nur das genommen haben, was sie brauchten, ist heute fast schon eine verlorene Eigenschaft. Unser Blogtitel „Wakan“ (waˈkʰɑːŋ̍) hat je nach Volk der Native Americans leicht unterschiedliche Übersetzungen. Im Kern steht es jedoch für „wunderbar“, „unbegreiflich“, „geheimnisvoll“ (Sioux-Sprachen) oder auch „mächtig“, „heilig“ (bei den Lakota´s). Für uns bedeutet „Wakan“ eine passende Zusammenfassung wie schön und bedeutend unsere Welt doch ist.

Unser nächstes Abenteuer liegt nun vor uns und wir werden unseren Camper wieder teilen – es kommt Besuch. Oma und Opa treten ihre zweite Reise an und werden uns die nächsten Wochen begleiten. Der Countdown läuft und ab Denver, Colorado rollen wir dann zu Sechst weiter!